Flyfishing Weekend an der Nagold in Bad Liebenzell


"Im Schwarzwald ganz oben." Das ist der Slogan der Stadt Bad Liebenzell -des liebenswerten Örtchens nahe Pforzheim mit der nackten Frau im Stadtwappen - und soweit schön und gut.

Klingt allerdings etwas höhnisch, wenn man im Schwarzwald ganz unten wohnt und die A5 nehmen muss, um nach ganz oben hin zu kommen. War aber gar nicht so schlimm, trotz Feiertag sind wir gediegen in einem Rutsch durchgefahren und in kurzweiligem Ritt im Liebenzeller Adler gelandet, unserem Quartier für die kommenden vier Tage. Die restlichen Reisegruppen kamen dann auch nach und nach eingetrudelt und man plauderte sich bei strahlender Sonne im lauschigen Biergarten schonmal warm. Nebenbei wurden die Angelkarten ausgeteilt, die Riverkeeper Hermann Rebmann schon im Hotel Adler hinterlegt hatte.


Dann ging's lohos! Auf der frisch gemähten Wurfwiese direkt zwischen Nagold und Wanderweg zischten die Schnüre durch die Luft, dass es eine Pracht war, und die ersten Fischerskollegen - vom Jagdfieber gepackt - boten schonmal die ersten Nymphen und Fliegen in der zugegebenermaßen etwas trüben Nagold an. Ich für meinen Teil konnte mich auf's Werfen auf dem Acker nicht so recht konzentrieren, dafür war auch mein Fieber etwas zu hoch. Die nervöse Spannung, ob bei dem Wasser überhaupt etwas geht, war dann aber schnell verflogen, nachdem ich meine ersten beiden Bachforellen mit der Trockenfliege überlisten konnte. Zwar keine Riesen, aber auch keine Sömmerlinge mehr.

Auf dem Wurfrasen ging es derweil hoch her. Es macht schon Spaß, echten Topleuten beim Werfen zuzuschauen, und von denen waren in den vier Tagen einige dabei. Alsbald hieß es aber frei nach der Waschmittelreklame "raus aus den Wohlfühlklamotten, rein in die miefigen Wathosen" und Hallali zur Forellenjagd. Im wunderschönen unteren Streckenabschnitt der Liebenzeller Nagoldstrecke brach am späten Nachmittag eine recht gefährliche Zeit für Salmoniden an, für die einen mehr, die anderen weniger. Das Fischen war ein echter Spaß, wenn das Wasser auch nicht ideal war. Aber Natur kann man nunmal nicht buchen, und soweit ich das mitbekommen habe, ist niemand als Schneider nach Hause gegangen und alle hatten ihren Spaß. Große Klasse am ersten Abend war natürlich die Gewässereinweisung durch Dieter, Armin und Hermann, wo ich so manchen guten Tipp für's goldene Büchlein aufschnappen konnte.

Die Fischerei war so klasse, dass die vereinbarte Einkehrzeit für's Abendessen recht großzügig überzogen wurde. Doof für die Jungs, die schon zeitig im Restaurant saßen und auf die anderen warten mussten. Aber irgendwie haben wir das während des Wochenendes beibehalten: wir haben -außer am Samstagabend- nie vor 10 Uhr nachts unser Abendessen gegessen. Das kann auf die Dauer ja nicht gesund sein, haben aber alle überlebt.

Tag 2:
Zum Glück hatte es nicht mehr geregnet und der Pegel der Nagold war wieder ein wenig gesunken. Also beste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Angeltag. Und genau das wurde es auch: auf der Wurfwiese gab es Wurfkünste vom Feinsten zu sehen und die Chance zu hochkarätiger Hilfe bei den eigenen dilletantischen Versuchen, am Wasser bogen sich die Ruten und es waren allerorten fröhliche Gesichter zu sehen.

Das gemeinsame Grillen (oder besser: "Grillieren", schließlich waren zu nicht unwesentlichen Teilen Schweizer Kollegen beteiligt) wurde von einem Gewitter überschattet. Aber auch hier kam die alte Lebensweisheit zum Tragen: Hinter den Wolken scheint immer die Sonne, und wir konnten - wie am Vortag auch - noch einige traumhafte Stunden an der Schafstall-Strecke fischend verbringen. Der Abend wurde dann auch ziemlich klasse, bei lauschiger Atmosphäre, süffigem Wein, lecker Essen und fabelhaftem Anglerlatein. Zu späterer Stunde und bei fortgeschrittenem Lemberger-Konsum gesellten sich dann auch eher bizarre Themen dazu, wobei irgendwie Dantes Göttliche Komödie sowie Notdurft-Rituale eine Rolle spielten. Habe einige gute neue Worte auf Schwytzerdüütsch gelernt. 

Tag 3:
Am Samstag schien sich schon eine gewisse Routine eingeschliffen zu haben: Frühstück, Wurfwiese, Fischen. Interessant wurde es allerdings, als sich ein prächtiges Gewitter über uns entlud. Doof für die Kollegen, die irgendwo am Bach überrascht wurden, schön für die Kollegen - zu denen eigentlich nur Wolfgang und ich zählten -, die in unmittelbarer Nähe zum Kiosk überrascht wurden. Zeit für ein gemütliches Mittagsbierchen!

Das Fischen haben wir dann auch zeitig eingestellt, denn ein weiteres Programmhighlight wartete auf uns: das Flyfisher-Dinner im Liebenzeller Adler! Das hieß Apéro um Sechs und "Neat Dress Essential" zum viergängigen Leckerschmecker-Menü. Eingeläutet wurde das kulinarische Fest mit einem Diavortrag über die traumhafte Fliegenfischergegend am Doubs, dann ging das Gespachtel los und nach dem Hauptgang kam dann ein echtes Leckerchen - Nein, nicht das Dessert, sondern eine hervorragende Präsentation von JürgenGaul über die Insektenwelt unserer Gewässer und insbesondere über die Krabbel- und Flugtierchen, die eine Rolle für die Fliegenfischerei spielen. Trotz der anspruchsvollen Thematik war der Vortrag für alle Anwesenden interessant, das schließt sowohl Anfänger und altgediente Fischer als auch Gäste ohne irgendwelchen Kenntnisse des Fischens ein. Und um der Faszination des Balzverhaltens der Steinfliegen oder der Begattungsaktionen der Oligoneuriellen zu erliegen, muss man nicht Entomologe sein. Allerdings schäme ich mich ein wenig für die würdelosen Versuche Anwesender, das Klopfen der Plecopteren mit dem Hinterleib, um ein paarungswilliges Weibchen anzulocken, bei Tisch nachzuahmen. Aber es war schon spät und es wurde getrunken...

Tag 4:
Sonntag war dann irgendwie praktisch vom Zeitablauf: Nach dem Auschecken haben wir noch schön gefischt, und pünktlich zur Abreise kam soviel Regen runter, dass niemand mehr große Lust zum Fischen hatte, was auch hinsichtlich der mittlerweile milchkaffeefarbenen Nagold verständlich war. Allerdings konnte ich am Vormittag eine dieser kleinen Sternstunden beim Fliegenfischen erleben, die diesem Hobby ein solches Suchtpotential verleihen.

Am unteren Teil der Schafstall-Strecke standen wir zu dritt im Bach, stromabwärts klopfte Pino das gegenüberliegende Ufer ab, während ich nachrückte. An einer Stelle bekam ich wider Erwarten hinter einem Erlenbusch immer wieder Bisse auf meine auf Verdacht angebotene Maifliege, allerdings konnte ich keinen Fisch haken. Allerdings wurde ich stutzig: eine kleine Forelle, für die die Fliege zu groß gewesen wäre, hätte viel mehr Krawall an der Oberfläche gemacht, also musste das ja wohl irgendein anderer Fisch sein. Sollte es etwa eine Äsche sein? Jetzt bekam ich ordentlich Jagdfieber, denn der Fang einer Fahnenträgerin war mir bisher noch nicht vergönnt, und in meinem Kopf klangen sofort die Worte von Meister Ritz: "Wer der Äsche jedoch auf den Kiesbänken des Doubs nachgestellt hat, wer die ruhig ziehende Loue oder die Äschenflüsse Österreichs, Bayerns, der Schweiz, Jugoslawiens und der Tchechoslowakei befischen konnte, für den kann gar kein Zweifel mehr darüber bestehen, dass für den Fischer mit der trockenen Fliege Salmo Thymallus unter den Salmoniden die Krone gebührt." Nun, die Worte klangen nicht in dieser Reihenfolge (schließlich hatte ich am Bach nicht wie jetzt im Moment ein Buch zum Abschreiben), aber mir war sofort klar: das muss eine Äsche sein, und sie steigt nach meiner Fliege. Da die Maifliege für ein spitzes Äschenmaul allerdings schon ein ziemlicher Brocken ist, habe ich erstmal mit zittriger Hand einen zerbissenen und zerrupften 16er Elkhair Emerger, der mir irgendwie nach guter Äschenfliege aussah, montiert, und dann etwas unterhalb des Erlenbusches die nötige Schnurlänge ausgebracht, damit der Service auch beim ersten Mal sitzt. Dann der magische Moment: ich leg die Fliege in die Strömung, mende einen kleinen Bogen nach und lass sie hinter den Busch treiben. Und tatsächlich, ein Schatten nähert sich ihr, sie verschwindet in einem unauffälligen Strudel und völlig fassungslos beobachte ich, wie sich die Schnur strafft, ich bekomme Kontakt zum Fisch und schlage zart an. Die Äsche marschiert in die Strömung und kämpft, nach kurzem Tanz kann ich sie keschern. Hurra, meine erste Äsche, und keine Miniatur! Was für ein Glück, Melanie -Pinos Freundin- steht gerade zwei Meter weiter am Ufer und kann ein Foto schießen.

Noch im Freudentaumel leg ich die Fliege erneut vor den Busch und das Unglaubliche passiert: ich hake sofort noch eine Äsche! Jetzt war ich aber ernsthaft im Fliegenfischerhimmel! Nach dem Fototermin verabschiedete sich auch dieser Fisch wieder. Der dritte Wurf hinter die Erle, und PENG! schon wieder ein Biss. Allerdings war es das auch, nicht gehakt, und danach konnte ich keinen Fisch mehr zum Steigen überreden. Aber das war mir wurscht, nach diesem Erlebnis habe ich noch ein Viertelstündchen weitergefischt und sogar noch eine stramme Regenbognerin gefangen, dann hab ich eingepackt. Was sollte danach schließlich noch kommen?

Mit diesem Erlebnis im Gepäck hatte ich dann für den Rest des Tages ein debiles Lächeln im Gesicht, auch als auf der Autobahn keine zwanzig Meter hinter uns an einem LKW ein Reifen platzte.

Zuguterletzt die obligatorischen Dankworte: Das herrliche Wochenende haben wir vor allem mal Hermann zu verdanken, der uns quasi seinen Bach zur Verfügung gestellt hat und sich enorm krummgelegt hat, damit wir eine gute Zeit haben konnten. Merci für alles und vor allem für den lecker Kaffee! Wenn Du uns mal im Schwarzwald ganz unten besuchen kommst, dann machen wir es umgekehrt und zeigen Dir die besten Plätze! Versprochen.

Ach ja, und natürlich merci für die ganzen Mädels und Jungs für die gute Zeit, war ein schöner Spaß und ich für meinen Teil habe viele gute neue Bekanntschaften gemacht!

Euer Olli

P.S:
An dieser Stelle möchte ich natürlich auch meinen besonderen Dank an Hermann Rebmann richten. Wie Olli es schon trefflich beschrieben hat ... Mehr geht wirklich nicht! Eine kurzgemähte Wurfwiese, aufgestellte Pavillons und Sitzgelegenheiten, ein bestens hergerichteter Grillplatz, Kaffee und Kuchen, frisches Gemüse zum Grillgut, Einsatz als Helfer am Wasser, Instruktor am Wasser und auf der Wiese! Hermann, ich sage nur...Chapeau!

Nicht vergessen möchte ich aber die Wirtsleute im Bad Liebenzeller Adler, wir waren bestens versorgt, das Essen war äußerst lecker - man hat sich wriklich große Mühe gegeben.

Ein großes Dankeschön auch an Jürgen Gaul, mit welcher Leichtigkeit er uns die Welt der "Fliegen" rüber gebracht hat, das war schon große Klasse!

Nicht zu vergessen sind auch meine Instruktorenkollegen Armin Fröbel und Urs Müller. Sie haben mir sehr geholfen, unsere "Novizen" in die praktische Fischerei einzuweisen, waren stets mit Tipps und Tricks zur Stelle und haben so maßgeblich zu ersten Fangerfolgen unserer neuen Fliegenfischerkollegen beigetragen. Toll auch Ihre Instruktionen auf der Wurfwiese, die manchen wieder den richtigen Schwung gegeben haben.

Ich freue mich schon heute auf die nächste Veranstaltung im kommenden Jahr!



Tight lines
 

Dieter

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